Berührung schafft (Ver-)Bindung – Thai Yoga für Kinder und Jugendliche

 in Allgemein

von Sandra Walkenhorst

Ein Grundbedürfnis aller Menschen ist das Bedürfnis nach Bindung. Bindung entsteht maßgeblich durch Berührung. Nach der Geburt wird, wenn alles gut läuft, das Baby der Mutter direkt auf den Körper gelegt. Hierdurch entstehen Verbindung, Sicherheit und das Gefühl von Geborgenheit. Zudem wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Neben dem, dass dieses Hormon, das auch als Glücks- oder Kuschelhormon bekannt ist, die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt, ist es auch maßgeblich daran beteiligt, dass die Milchproduktion angeregt und somit das Stillen ermöglicht wird. 

Berührung schafft Bindung und umgekehrt

Wir alle brauchen Berührung, Kinder jedoch noch mehr. Berührung lässt sie sich selbst erfahren. So wird nicht nur Bindung zu Bezugspersonen (Mutter, Vater, Großeltern, etc.) hergestellt, sondern auch das Erfahren von anwesend- und vorhanden-sein in dieser Welt. Auch deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass unser Körper und auch unsere Seele berührt werden. Über Berührung schenken wir Sicherheit, Vertrauen und auch Stabilität. Das anfangs bereits erwähnte Oxytocin kann aber noch viel mehr. Es kann Stress und Angst lindern, dämpft Aggressionen und lässt uns Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen. Zudem wirken langsame und flächige Berührungen auch auf unseren Vargusnerv, der Parasympathikus wird stimuliert. Auch diese Wirkung ist gerade für Kinder nicht unerheblich, denn unser parasympathisches System muss quasi trainiert werden. Der Sympathikus funktioniert von Geburt an zuverlässig und sehr deutlich, da wir als hilfloses Wesen geboren werden und lebensnotwendig auf die Unterstützung unserer Eltern, Bindungspartner, grob gesagt unserer Versorger, angewiesen sind. Der Parasympathikus ist hingegen noch nicht wirklich geschult. Das geschieht, indem unsere Bindungspartner unsere „Stressreaktion“ (z.B. Ich habe Hunger und ich schreie, Ich fühle mich unwohl, etc.) auf ruhige und angemessene Weise beantworten. So entstehen, neben der Selbstrepräsentanz auch Fähigkeiten, wie Selbstregulation, Selbstberuhigung und eine Grundsicherheit, die auch zur Resilienz beiträgt.

Herausforderungen meistern

Nun haben wir alle in den letzten zwei Jahren eine extrem herausfordernde Zeit erlebt. Noch dazu mit der Vorgabe anderen Menschen nicht „zu Nahe“ zu kommen, geschweige denn sie zu berühren. Das macht ohne Frage etwas mit jedem von uns, doch ganz besonders auch mit den Kindern und Jugendlichen. Nehmen wir einmal den Zeitraum: 24 Monate sind eine lange Zeit für uns Erwachsene, doch gemessen an der bisherigen Lebensdauer eines Kindes wirft das nochmal ein völlig anderes Bild auf. Für ein sechsjähriges Kind sind zwei Jahre ein Drittel seines Lebens! Legen wir also allein den Maßstab Zeit zugrunde, stellen wir schon fest, dass die letzten Monate gerade für die Jüngeren unter uns eine wirkliche krasse Erfahrung waren (und sicher immer noch sind). 

Sowohl unsere Kinder, als auch unsere Jugendlichen, haben vieles entbehren müssen. Sie mussten die Erfahrung machen, dass ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Nähe, Verbindung und eben auch Berührung häufig frustriert wurde. Erschwerend hinzu kommt, dass sie in der Regel noch nicht über die Ressourcen verfügen, sich selbst zu beruhigen, bzw. bereits über die nötige Resilienz verfügen mit solch einer Situation umzugehen. Und deshalb brauchen sie unsere Unterstützung, vielleicht jetzt mehr denn je. Sie benötigen sichere und authentische Begleiter.

Berührung und Zeit schenken ist das wertvollste Geschenk

Was unsere Kinder und Jugendlichen jetzt besonders brauchen sind Menschen, die sie sehen, die zuhören und die auf ihre Bedürfnisse reagieren. Wie wir anfangs schon gesehen haben, ist Bindung und damit verbunden auch Berührung, ein Grundbedürfnis von uns Menschen. So können wir also über Berührung viel wertvolles vermitteln. Und hier kann Thai-Kinderyoga, bzw. Thai-Teensyoga ein wunderbares Tool sein. Wir können Berührung schenken, stellen Bindung her und schaffen Vertrauen, sowie eine sichere Basis. All das hilft unseren Kindern und Jugendlichen gerade jetzt in dieser herausfordernden Zeit wieder mehr bei sich anzukommen und auch den Umgang mit solchen Situationen zu erlernen und zu bestehen. Zudem haben wir erfahren, dass Oxytocin auch Angst und Stress lindern kann, sowie Aggressionen gedämpft werden können. Alles Gefühle, die sicherlich in den letzten Monaten stärker erfahrbar waren als zuvor.

Schenken wir also unseren Kindern und Jugendlichen Zeit und Aufmerksamkeit und vor allem Berührung. Dies ist in der jetzigen Zeit auch besonders schön in Form von Eltern-Kind- oder Mum/Dad-Teens-Workshops möglich, die auch ganz wunderbar online funktionieren!

Zur Inspiration hier noch ein kleines Video von meinem Sohn Louis und mir, indem wir Dir die Übung „Shampoo“ zeigen, die ganz prima ist, um das Gedankenkarussell kleiner werden zu lassen, sich zu entspannen und mitunter auch beim Einschlafen helfen kann.

Falls Du noch weitere Inspirationen suchst, so findest Du in meinen Büchern „Thai-Kinderyoga: Entspannen durch achtsame Berührung und Blockaden lösen“ und „Yoga für Jugendliche: Stress verringern durch Achtsamkeit und Entspannung“, beide erschienen im Meyer & Meyer – Der Sportverlag, viel theoretisches Wissen und eine Menge praktischer Tools und Übungen.

Sandra Walkenhorst ist verheiratet und Mutter eines 17-jährigen Sohnes. Sie arbeitet als Dipl. Sozialpädagogin in Teilzeit an einer Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und selbständig als (Kinder-) Yogalehrerin, Autorin und Dozentin. Seit fünfundzwanzig Jahren ist Yoga ein wichtiger Teil in ihrem Leben. Ihr Herz gehört der Verbindung von Yoga und Berührung für Groß und Klein. Deshalb hat sie vor vier Jahren Thai-Kinderyoga entwickelt und 2019 das gleichnamige Buch hierzu veröffentlicht. Mehr Berührung in die Welt zu tragen ist ihre Passion. Auch wenn sie bisweilen belächelt wird, wenn sie sagt, dass sie die Welt ein bisschen besser machen möchte, so ist genau das ihr Antrieb. Etwas für unsere Kinder zu tun. Mehr Herz, weniger Kopf. Sandra ist, gemeinsam mit Thomas Bannenberg Ausbildungsleitung der Kinderyoga-Akademie und bildet deutschlandweit Kinder- und Jugendyogalehrer*innen aus. Mehr über sie auf: www.ahimsa-institut.de oder www.kinderyoga-akademie.de