Mit offenen Armen empfangen – Umarmungsaktion des Netzwerk Berührung am 3. August

 in Projekte

von Tobias Frank

Es ist verdammt heiß. 37 Grad im Schatten. Zu sechst haben wir uns am Taubenbrunnen unterhalb der Domplatte versammelt, um zwei Stunden lang völlig fremde Menschen zu umarmen. Und wir haben keine Ahnung, wie das Ganze ankommt und wer sich bei dieser Hitze überhaupt umarmen möchte.

Ich selbst bin spät dran. Für ein Konzert ist ein großer Teil der Domplatte gesperrt, so dass wir unser Zeug – einen Kasten Wasser, einen großen Aufsteller mit Flyer – nur über einen Umweg zum Platz tragen konnten, den die Stadt Köln uns zugewiesen hatte.

Während unser eigener Stand noch nicht ganz aufgebaut ist, wartet die Presse schon und möchte alles Mögliche ist. Das freut mich einerseits, auf der anderen Seite stresst es mich, weil ich mich gerade noch mit meinem Team aus umarmungsfreudigen Vereinsmitgliedern auf unsere gemeinsame Aktion einstimmen wollte.

Gemeinsam umarmen

Innerlich stelle ich mich schon auf ein Worst-Case-Szenario ein, bei dem fast alle Leute uns abblitzen lassen. Vermutlich spüren die Menschen, meine eigene Anspannung und Befürchtungen. Am Anfang läuft es in der Tat schleppend.

Auf der Domplatte ist noch jede Menge mehr los: Afrikanische Trommler, ein Orgelspieler, Spendensammler für die Tafel und Artisten buhlen mit uns um die knappe Aufmerksamkeit der vorbei eilenden Menschen, die ohnehin sehr begrenzt ist.

Wir haben uns dafür entschieden, zunächst in einer Kreisformation zu starten: Sophie, Laura und Christoph verschenken die Umarmungen, während Sonja, Julian und ich uns die Passanten angeln und sie dazu einladen, sich von einem der Drei umarmen zu lassen.

Keinerlei Berührungsängste

Im Laufe der Zeit lässt die Hitze nach. Der Oxytozin-Spiegeln steigt auch bei uns Umarmenden und damit der Grad der eigenen Entspannung. Suva stößt zum Team hinzu und gibt uns zusätzliche Motivation. Zu meiner freudigen Überraschung lässt sich der WDR noch blicken. Der Kamera-Mann taucht ausgerechnet dann auf, als uns eine Mutter mit ihrer Tochter besucht, die so umarmungsfreudig sind, dass sie gleich mehrere Umarmungen vom gesamten Team mitnehmen.

Es berührt mich, wie sehr das Team dabei ist. Wir alle werden zum Werkzeug der Liebe und verteilen Umarmungen an alle, die kommen: Japanische Touristen, Straßenmusiker, Müllmänner, Rikschah-Fahrer und selbst Flaschensammler werden von uns umarmt.

„Erstaunt hat mich, wie Kulturell unterschiedlich die Wahrnehmung von Umarmung und Berührung ist. Für südamerikanische Touristen schien unsere Aktion das Normalste der Welt zu sein, für den ein oder anderen Deutschen waren die Widerstände deutlich höher. Es war toll, so viele unterschiedliche Menschen – vom Flaschensammler bis zum Anzugträger – zu umarmen.“, fasst es Julian Welzel zusammen.

Einige Begegnungen sind uns besonders in Erinnerung geblieben: „Bei einer Umarmung, die länger andauert als eine gewöhnlich flüchtige Umarmung, bekommt man zu spüren, dass man ein Seelchen in Armen hält und selbst eins ist. Das kann sehr intensiv und berührend sein…und einfach nur schön! „, erinnert sich Sonja Hemscheidt.

Eine wichtige Erfahrung für Gudrun Wiele war es Ablehnung nicht persönlich zu nehmen: „Anfänglich fand ich die negativen und ignorierenden Reaktionen der Menschen schon teilweise krass, was dann immer mehr zu einem ‚Schade, dass Du es nicht annehmen kannst‘ wurde“.

Unser gemeinsames Fazit: „Ich hätte nicht erwartet, dass sich so viele Menschen auf eine Umarmung einlassen – sehr positiv und wunderschön!“ bringt es Julian auf den Punkt. „Am meisten haben mich Menschen berührt, die sich etwas skeptisch auf die Umarmung eingelassen haben und dann während und nach der Umarmung gemerkt haben, wie wunderschön und heilsam diese für sie war.“

Bericht dazu im Kölner Stadtanzeiger